Du bist HIER. Hier ist, wo immer ich meinen Kopf hinlege.


Thema für die Sommerakademie im Zentrum Paul Klee 2013
von Sue Williamson
Gastkuratorin 2013


Vor einigen Jahren erhielt ich von der italienischen Kuratorin Iolanda Pensa die Anfrage für eine Zeichnung zum Thema „Hier“. Sie wollte von mir - als eine von den weltweit angeschriebenen KünstlerInnen - auch wissen, was dieser Begriff für mich bedeute. Damals arbeitete ich im Rahmen einer Künstler-Residency in Montalvo, Kalifornien. Pensas Anfrage regte mich zu Reflexionen an über die zunehmend nomadenhafte Lebensführung zeitgenössischer KünstlerInnen, die ständig rund um den Globus unterwegs sind zu Residencies, Seminaren, künstlerischen Projekten und Ausstellungen.

Wie können sich diese KünstlerInnen - während sie am andern Ende der Welt arbeiten - das „Hier“ bewahren, den Ort, die Familie, die Gemeinschaft, die Ausbildung, die Erfahrungen, das politische und soziale Klima, die ihre frühe künstlerische Praxis geprägt haben? Ist dies überhaupt notwendig, oder soll man ständig von vorne beginnen, sich stets dem neuen Umfeld öffnen? Der Künstler Mark Dion sagt, er rate StudentInnen, die darauf bestehen, dass der Kontext für das Verständnis ihrer Kunst entscheidend sei, Folgendes: diesen Kontext zu vergessen und stattdessen die Methode zu prüfen, die zu dieser Behauptung geführt hat; und dann sollten sie diese Methode in ihrer neuen Situation anwenden.

Die Sommerakademie im Zentrum Paul Klee 2013 wird sich mit der Schnittstelle zwischen lokal und global, zwischen dem „Hier“ und dem „Dort“ beschäftigen. Wir wollen erforschen, wie jeder Künstler, jeder Künstlerin, jeder Kurator, jede Kuratorin Werkzeuge und Methoden und letztlich diese einzigartige und authentische Stimme entwickelt, die von der individuellen Lebenserfahrung herrührt. Wir wollen untersuchen, wie diese Stimme zu verwenden ist, um neuen künstlerischen Herausforderungen zu begegnen. Zu diesem Zweck werden wir einerseits Werke von KünstlerInnen analysieren, denen die Synthese gelungen ist, und andererseits frühere Arbeiten der diesjährigen Fellows diskutieren.

Der Workshop wird zudem einen praktischen Teil beinhalten, bei dem den Fellows angeboten wird, die unmittelbare Umgebung, das „Hier“ von Bern, als Quelle künstlerischer Anregungen zu inspizieren.

Die Diskussionen in der Sommerakademie im Zentrum Paul Klee 2013 werden sich unter anderem mit der Frage befassen, ob KünstlerInnen eine soziale Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit tragen, wie es so viele Kunstwerke der tiefgründigen und poetischen dOCUMENTA (13) nahegelegt haben. Sollen sich KünstlerInnen, wie subtil und auf welcher Ebene auch immer, mit sozialen Themen befassen? Oder nicht? Im südlichen Afrika gibt es einen Ausdruck, der oft in Diskussionen um die Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft auftaucht: „ubuntu“. Das Wort bedeutet, dass man nur durch andere Personen eine Person ist. Wir alle werden durch unsere Gesellschaft geprägt und können im Gegenzug unsere Rolle in dieser Gesellschaft und die Art des Menschseins, die sich in ihr herausbildet, nicht verleugnen.

Was immer das Thema unserer Arbeit sein wird und das Ergebnis, das wir uns von ihr versprechen: wir verpflichten uns zu Respekt gegenüber den Fellows, unserer Gemeinschaft und der Welt im weitesten Sinn. Die heutige Technologie erlaubt es, dass neue Werke blitzartig in der ganzen Welt einsehbar sind, was den Kulturschaffenden ausserordentliche Macht verleiht. Diese Macht darf nur mit Bedacht und Zurückhaltung ausgeübt werden.

„Ingane Yondlwa Umphakathi!“, diese populäre Redewendung der Zulu bedeutet so viel wie, „es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind gross zu ziehen“. Es ist zum Gemeinplatz geworden, dass wir alle Teil des globalen Dorfes sind.
Willkommen zur Sommerakademie im Zentrum Paul Klee 2013.